Die zehn Gebote eines Liberalen
- Fühle dich keiner Sache völlig gewiß.
- Trachte nicht danach, Fakten zu verheimlichen, denn eines Tages kommen die Fakten bestimmt ans Licht.
- Versuche niemals, jemanden am selbständigen Denken zu hindern, denn das würde dir gewiß gelingen.
- Wenn dir jemand widerspricht, und sei es dein Ehegatte oder dein Kind, bemühe dich, ihm mit Argumenten zu begegnen und nicht mit Autoriät, denn ein Sieg, der von Autorität abhängt, ist unrealistisch und illusionär.
- Habe keinen Respekt vor der Autorität anderer, denn es gibt in jedem Fall auch Autoritäten, die gegenteiliger Ansicht sind.
- Unterdrücke nie mit Gewalt Überzeugungen, die du für verderblich hältst, sonst unterdrücken diese Überzeugungen dich.
- Fürchte dich nicht davor, exzentrische Meinungen zu vertreten; jede heute gängige Meinung war einmal exzentrisch.
- Freue dich mehr über intelligenten Widerspruch als über passive Zustimmung, denn wenn dir Intelligenz soviel wert ist, wie sie die wert sein sollte, dann liegt im erstgenannten eine tiefere Zustimmung als im letztgenannten.
- Befleißige dich peinlich der Wahrheit, selbst dann, wenn sie nicht ins Konzept passt; denn es passt noch viel weniger ins Konzept, wenn du versuchst, sie zu verbergen.
- Beneide nicht das Glück derer, die in einem Narrenparadies leben, denn nur ein Narr kann das für Glück halten.
Bertrand Russell geb. 1872, gest. 1970, engl. Philosoph und Mathematiker
"Die zehn Gebote eines Liberalen" hat Russell am 16.12.1951 in der "New York Times" unter dem Titel "Die beste Antwort auf Fanatiker: Liberalismus" veröffentlicht.